Turbulenzen im Bankensektor halten an
Nach den Verwerfungen im US-Bankenmarkt sind auch europäische Bankaktien unter Druck geraten. Ein Wendepunkt zur vorübergehenden Stabilisierung war die Übernahme der Schweizer Großbank Credit Suisse (CS) durch den größeren Konkurrenten UBS. Dies, obwohl AT1-Anleihen von CS vollständig abgeschrieben werden.
Auf Druck der Schweizer Regierung und der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA wurde die Übernahme der Credit Suisse durch UBS am 19. März 2023 öffentlich. Zuvor hatte die Freigabe von 50 Milliarden Schweizer Franken Notfall-Liquidität durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Vertrauensverlust in das angeschlagene Institut nicht stoppen können. Kartellrechtliche Vorgaben überging die Schweizer Regierung und verwies dabei auf die übergeordnete Notwendigkeit, das Finanzsystem zu stabilisieren.
Vorgesehen ist der Verkauf der CS an die UBS für insgesamt drei Milliarden Franken, was knapp sieben Prozent des Buchwerts von 45 Milliarden Franken entspricht. Die UBS bietet den CS-Aktionären für jeweils 22,48 CS-Aktien eine UBS-Aktie zum Tausch an. Rückendeckung erhält die Transaktion durch eine Staatsgarantie in Höhe von neun Milliarden Franken für etwaige Verluste, die der UBS im Zuge der Übernahme der CS entstehen können und falls sie einen gewissen Schwellenwert überschreiten. Weiterhin stellt die SNB beiden Banken ein mit einem Konkursprivileg abgesichertes Liquiditätshilfe-Darlehen über 100 Milliarden Franken sowie ein weiteres staatlich abgesichertes Darlehen (Public Liquidity Backstop) für die CS über 100 Milliarden Franken zur Verfügung.
Aufgrund der noch anhaltenden Verunsicherung im Bankensektor eröffneten die europäischen Aktienmärkte vergangene Woche mit leichten Abschlägen, stabilisierten sich aber im weiteren Verlauf der Woche weitgehend, bevor sie am Freitag (24. März) wieder ins Minus drehten. Für Aufruhr am Kapitalmarkt sorgte am Tag nach der Übernahme die Entscheidung der FINMA, dass die CS „eine vollständige Abschreibung des Nennwerts aller AT1-Anleihen (AT1: Additional Tier 1-Kapital, also zusätzliches hartes Kernkapital) der Credit Suisse im Umfang von rund sechzehn Milliarden Franken und damit eine Steigerung des Kernkapitals“ vornehmen muss. Ein Schuldenschnitt anderer Bankanleihen oder eine Belastung oder eingeschränkte Verfügbarkeit der Bankeinlagen ist dagegen nicht vorgesehen.
Kritik an Lösung
Insbesondere der Umgang mit den AT1-Anleihen hat an den Kapitalmärkten zu starken Kursverlusten in diesem Wertpapiersegment geführt und wurde kritisch diskutiert. Die Entscheidung wurde vom Markt nicht vollständig antizipiert, zumal für die Aktien durch die Übernahme noch ein Wert geboten wurde. Die Kurse der AT1-Anleihen von CS sind mittlerweile auf einen niedrigen einstelligen Betrag gefallen.
Das Segment der AT1-Anleihen entstand als Folge der neu geschaffenen Bankenabwicklungsrahmen (Bail in). Diese Anleihen können zur vorbeugenden Rekapitalisierung einer Bank herangezogen werden. Im Insolvenzfall ist mit einer vollständigen Gläubigerbeteiligung zu rechnen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang jedoch auch die relative Behandlung vor allem gegenüber Aktienanlegern, die in der Kapitalstruktur eigentlich nachrangig haften sollten. Allerdings handelt es sich bei den CS-Anleihen um einen Sonderfall. Aufgrund von Besonderheiten des Schweizer Bankenrechts und der Anleihekonditionen der CS ist eine vollständige Abschreibung auch ohne Bankenabwicklung möglich.
Der Fall CS war die bis dato größte Bewährungsprobe für den AT1-Markt. Vor allem Hedgefonds und asiatische Investoren sind in AT1-Anleihen stark investiert, häufig auch mit Leverage. Vielen Marktteilnehmern waren sicherlich die Eigenschaften des Produkts nicht bewusst, vor allem nicht die spezielle Handhabung im Schweizer Rechtssystem. Offenbar prüfen einige Anleger rechtliche Schritte gegen den Sonderfall CS. Vertreter der Europäischen Zentralbank (EZB) und der britischen Finanzmarktaufsicht bekräftigten hingegen, dass die bislang übliche Gläubigerbeteiligung – Eigenkapital vor Bail-in-Kapital und vorrangigen Verpflichtungen – eingehalten werde.
Kritik entzündete sich auch auf der Aktienseite, weil die Mitbestimmung der Aktionäre von CS und UBS durch Anwendung von Notrecht ausgehebelt wurde. Das sollte der Beruhigung des Markts dienen, jegliche Zweifel am Zustandekommen des Deals von vorneherein zerstreuen. Allerdings sind auch hier inzwischen von einigen Marktakteuren Klagen angedroht worden. Die Übernahme soll dennoch formal noch im Laufe des Jahres abgeschlossen sein.
Zielkonflikt für Notenbanken
Auch die Notenbanken haben maßgeblich zur Entspannung beigetragen. Am 16. März hatte bereits die EZB die Zinsen wie erwartet angehoben, jedoch signalisiert, dass sie zur Sicherung der Finanzmarktstabilität jederzeit bereit stehe. Im Vorfeld der Sitzung der US-Notenbank Fed bekräftigte US-Finanzministerin Janet Yellen nochmals die Garantien der Regierung für die Guthaben in kleinen und mittleren US-Banken und betonte, dass die aktuelle Situation eine andere sei als zu Beginn der Finanzkrise 2008. Auch die Fed hob die Zinsen wie erwartet um 25 Basispunkte an, dürfte aber künftig mehr auf Sicht fahren. Schon vor zwei Wochen hatte die Fed mit beherztem Eingreifen für etwas mehr Ruhe im US-Bankenmarkt gesorgt. Dass Yellen im Nachgang zur Notenbanksitzung ihre eigene Aussage relativierte und sagte, es werde keine dauerhafte pauschale Einlagensicherung geben, missfiel den Märkten jedoch.
Die Notenbanken befinden sich derzeit in einem Zielkonflikt, vor allem die Fed. Angesichts einer insgesamt resilienten Wirtschaft, eines weiterhin sehr engen Arbeitsmarkts und einer nach wie vor zu hohen Inflation muss sie die Teuerung eigentlich weiter entschlossen bekämpfen. Anderseits bergen weitere Zinserhöhungen Risiken für die Finanzmarktstabilität. Der jüngste Bankenstress wird zu strafferen Finanzierungsbedingungen für Haushalte und Unternehmen führen und Wirtschaftsaktivität, Beschäftigungsaufbau und Inflation dämpfen. Das tatsächliche Ausmaß diese Straffungseffekts ist derzeit noch nicht abzuschätzen. Es könnte aber letzten Endes bedeuten, dass hierdurch der Fed zumindest ein Teil ihrer Arbeit abgenommen wird und sie weniger stark an der Zinsschraube drehen muss.
Fazit
Die Turbulenzen am Bankenmarkt sind noch nicht abgeebbt, obwohl es zwischenzeitlich so aussah. Die Kapitalmärkte bleiben nervös. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht straffen sich durch die Unsicherheiten im Bankenmarkt die Finanzierungsbedingungen. Gleichzeitig dürfte die erhöhte regulatorische Unsicherheit ebenso für weniger Interesse an Bankaktien sprechen wie die sich potenziell eintrübenden Konjunkturaussichten. Generell ist aber das schnelle, entschlossene und effektive Einschreiten der Behörden weiterhin zu begrüßen. Durch die Maßnahmen der US-amerikanischen und schweizerischen Behörden ist die Stellung der Halter von Bankeinlagen und vorrangigen Bankanleihen gestärkt worden.
Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen:
27. März 2023, soweit nicht anders angegeben.