Tatort Arbeitsplatz
Menschenrechte als Thema des Engagements-Dialogs
Kinderarbeit, mangelnde Arbeitssicherheit oder Umweltsünden, die Gesundheit und Leben gefährden. Die Liste von Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen ist lang. Die Verantwortung für die Würde und Gesundheit im Arbeitsleben muss gestärkt werden, aus moralischen Gründen, aber auch, um wirtschaftlich nachhaltig erfolgreich zu sein.
Der Schutz von Menschenrechten spielte lange Zeit für die Wirtschaft eine eher untergeordnete Rolle. Ihre Beachtung wurde häufig als staatliche Aufgabe betrachtet. So lange nicht reguliert wurde, blieb es den Wirtschaftsakteuren überlassen, freiwillig aktiv zu werden. Eine Situation, die man heute noch in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern findet. Dort lassen häufig auch Großunternehmen aus den Industrienationen produzieren. Allerdings hat eine Reihe von Skandalen, die dem Ruf von Unternehmen deutlich schadeten, zu einem Umdenken geführt.
Mittlerweile gibt es mehrere international einflussreiche Initiativen, die Missstände in Unternehmen angehen und neue Standards für Menschen- und Arbeitsschutzrechte aufstellen. Starke Impulse gab zum Beispiel John Ruggie, zwischen 2005 und 2011 in seiner Funktion als UN-Sonderbeauftragter für Unternehmen und Menschenrechte. Er entwickelte die „Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte“, die auf den Grundprinzipien „Protect, Respect and Remedy“ („Schützen, Respektieren und Wiedergutmachen“) basieren. Seine Leitlinien fordern Staaten auf, klare Rahmenbedingungen zu schaffen, damit es nicht zu Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen kommt.
Schützen, Respektieren und Wiedergutmachen
Die drei Grundprinzipien sind außerdem der Versuch, Unternehmensverantwortung zur Achtung der Menschenrechte eindeutiger zu definieren: Unternehmen stehen danach in der Verantwortung, Menschenrechte zu achten, mögliche negative Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit zu beenden und wiedergutzumachen. Die in den Leitlinien formulierte „menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung“ („Human Rights Due Diligence“) ist der erste Versuch, die Verantwortung von Unternehmen für Menschenrechte eindeutiger zu definieren und zu überprüfen. Sie hilft Firmen, im Rahmen einer „Due Diligence“-Prüfung“ sowohl ihre internen Arbeitsbedingungen, aber auch die ihrer Zulieferer und akquirierten Unternehmen auf die Einhaltung der Menschenrechte zu überprüfen. Ruggies Referenzrahmen hat mittlerweile auch Einzug in die neu gefassten OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen gefunden. „Für Union Investment ist es als Asset Manager mit Verantwortung für die treuhänderisch verwalteten Gelder wichtig, bei allen Investitionen auf Einhaltung der Menschenrechte zu achten“, sagt Janne Werning, Nachhaltigkeitsanalyst im Portfoliomanagement von Union Investment. „Damit erfüllt Union Investment nicht nur rechtliche Vorgaben, sondern leistet darüber hinaus auch einen Beitrag zu mehr Risikoschutz etwa gegenüber Klage- und Reputationsrisiken. Insofern sind Menschenrechtsfragen fester Bestandteil des Engagement-Dialogs mit Unternehmen und bei der Ausübung des Stimmrechts in Hauptversammlungen“, so Werning.
#UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte
Die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (engl. „United Nations Guiding Principles on Business and Human Rights“, auch „Ruggie Principles“ genannt) wurden im Juni 2011 durch die Vereinten Nationen verabschiedet und stellen einen globalen Standard in Bezug auf Unternehmen und Menschenrechte dar. Sie wurden unter breiter Beteiligung privater und staatlicher Akteure entwickelt. Die nach John Ruggie (Bild oben), dem UN-Sonderbeauftragten für Unternehmen und Menschenrechte, benannten „Ruggie Prin ciples“ zählen zu den wichtigsten international anerkannten Standards im Bereich der Verantwortung von Unternehmen für Menschenrechte.
#OECD
Die 1961 gegründete „Organisation for Economic Co-operation and Development” (OECD) ist eine internationale Organisation, die durch Analysen, Empfehlungen und Richtlinien der Politik Impulse geben möchte, um das Leben der Weltbevölkerung in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht zu verbessern.
Menschenrechtsverletzungen als internationales Thema
Beschwerdefälle über Unternehmen wegen Menschrechtsverletzungen
Auch wenn in Deutschland Menschenrechtsverletzungen am Arbeitsplatz eher zu den absoluten Ausnahmen gehören, sind auch deutsche Unternehmen betroffen, etwa wenn sie durch Zulieferer oder Unternehmensakquisitionen im Ausland Verantwortung übernehmen müssen. Eine globale Studie der Universität Maastricht (Menno T. Kamminga, Company Responses to Human Rights Reports: An Empirical Analysis, 2015) wertete insgesamt 1.877 Menschenrechtsbeschwerden aus. Davon betrafen 87 Fälle deutsche Unternehmen, womit Deutschland im internationalen Vergleich den fünften Rang belegt. Lediglich die USA mit 511, Großbritannien mit 198, Kanada mit 110 und China mit 94 Beschwerden liegen noch davor. Die Beschwerden in Industrienationen beruhen häufig auf Menschenrechtsverletzungen in den Lieferketten.
Eine nachhaltige Welt sollte in Zukunft auf Menschenwürde aufbauen
Menschenrechte schützen alle Dimensionen des menschlichen Lebens: von der Freiheit von Folter und Sklaverei über den Zugang zu Nahrung hin zur Meinungsfreiheit, den Schutz der Privatsphäre und Bildungsmöglichkeiten. All das sind die Eckpfeiler der Nachhaltigkeit. Eine nachhaltige Welt muss auf der grundlegenden Menschenwürde aufgebaut werden. Allerdings werden diese Menschenrechte im Arbeitsalltag leider oft missachtet. Für uns als nachhaltig orientierter Asset Manager ist es daher wichtig, dass Unternehmen ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen. Das bedeutet kurz gesagt: Sie sollen nicht nur nationale Gesetze achten, sondern auch ein proaktives Risikomanagement betreiben, um Menschenrechtsverletzungen zu vermeiden.
Wir fordern im Engagement-Dialog, dass sie die Auswirkungen ihrer Unternehmenstätigkeit auf relevante Menschenrechte hin überprüfen. Und nachgelagert sollen sie die notwendigen Vorkehrungen treffen, um negative Auswirkungen abzuwenden. Dabei ist für uns die Beachtung von Menschenrechten nicht nur ein Indikator für die gesellschaftliche Akzeptanz des Unternehmens, sondern sie begrenzt betriebliche, rechtliche sowie reputationsbezogene Risiken. Konsumenten könnten aufgrund schwerer Menschenrechtsverletzungen Produkte nicht mehr nachfragen, der Umsatz würde einbrechen. Zusätzlich sehen wir auch enorme Klagerisiken. Aus Kapitalmarktsicht haben Menschenrechtsfragen – nicht nur in der Lieferkette – stark an Bedeutung gewonnen.

Janne Werning
Nachhaltigkeitsanalyst
im Portfoliomanagement
Union Investment