
Nachhaltigkeit in einer Welt im Krisenmodus
Nachhaltig orientierte Investoren stehen vor neuen Herausforderungen. Allerdings dürfen die aktuellen Krisen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die großen Megatrends intakt bleiben. Das wurde auf der diesjährigen Nachhaltigkeitskonferenz von Union Investment deutlich.

„Kriegsberichterstattung schlägt Klimakatastrophe. Energiesicherheit übertrumpft Energiewende. Ist das unsere neue Realität?“ So begrüßte Moderatorin Carolin Roth am 15. Juni die rund 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 11. Nachhaltigkeitskonferenz von Union Investment. „Was bedeuten die aktuellen Krisen für die nachhaltige Transformation?“, lautete daher das Motto und die zentrale Frage für die Redner und Diskussionspartner der Konferenz.
Nachhaltig aus Überzeugung
Trotz aller Fragezeichen spricht vieles dafür, dass das Investitionsklima weiterhin auf Nachhaltigkeit ausgerichtet bleibt. Das bestätigte auch André Haagmann, Vorstand für das institutionelle Geschäft bei Union Investment, mit Verweis auf die diesjährige Umfrage seines Hauses. „Die Stimmung zur nachhaltigen Geldanlage bleibt positiv. Unter den professionellen Investoren berücksichtigten 83 Prozent nachhaltige Faktoren, das sind 18 Prozent mehr als vor fünf Jahren. Bemerkenswert dabei: Immer mehr Investoren handeln aus Überzeugung, nicht mehr nur aufgrund regulatorischer Vorgaben.“ Die Studie dokumentiere „den festen Willen der Investoren, Verantwortung zu übernehmen“, betonte Haagmann.
Die langfristigen Trends bestehen weiter
Auf die Eingangsfrage eingehend unterstrich Henrik Pontzen, Leiter ESG bei Union Investment: „Der Ukrainekrieg wird die Klimakrise nicht abschaffen.“ Denn die Megatrends blieben intakt. Es werde sich schließlich ebenso wenig jemand finden, der glaube, dass durch die aktuelle Situation etwa das Thema Digitalisierung jetzt enden würde. Der Krieg habe allerdings eine Diskussion in Gang gebracht, was nachhaltig ist. Pontzen vertrat dazu eine klare Meinung. „Waffen sind notwendig, aber sie sind nicht nachhaltig.“ Beim nachhaltigen Investieren gelte die Maxime, Schäden und Leid zu minimieren. Das sei mit Investments in Waffen nicht zu gewährleisten.
Im ersten Panel des Tages stellte der Journalist und Autor Jan Fleischhauer fest, dass der Konflikt mit Russland und der sich anbahnende Konflikt mit China zeige, dass die beiden Großmächte die wirtschaftliche Stärke aus der Globalisierung nun gegen die westliche Staatengemeinschaft einsetzen würden. Bei der Globalisierung selbst gehe es inzwischen um mehr als nur um ökonomische Belange, sondern „um ein friedliches Miteinander in einer multilateralen Welt”, betonte Joe Kaeser, Aufsichtsratsvorsitzender der Siemens Energy AG und der Daimler Truck AG. Auch Janne Werning, Leiter ESG Capital Markets & Stewardship bei Union Investment, war in dem Panel der Meinung, dass die Welt globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel auf gar keinen Fall durch Konzentration auf Nationalstaatlichkeit begegnen könne.
Die Redner und Diskussionspartner der Nachhaltigkeitskonferenz von Union Investment
Taxonomie – geht‘s auch ohne „Schema F“?
Karsten Löffler, Head of Frankfurt School UNEP Collaborating Centre for Climate & Sustainable Energy Finance, widmete sich in seinem Vortrag der Taxonomie als zentralem, aber viel diskutiertem Teil des EU-Aktionsplans. Löffler erkannte in ihr auch gute Seiten und Vorteile für Unternehmen. So unterstütze die Taxonomie Unternehmen, weil sie zeige, welche Aktivitäten in der regulatorischen Betrachtung als nachhaltig gelten und welche nicht. Das senke für die Unternehmen unter anderem die Transaktionskosten, weil sie diesbezüglich keine eigenen Analysen mehr anstellen müssten, so Löffler. Die Diskussion der vergangenen Monate über eine Aufnahme von Nuklearenergie und Gas in die Taxonomie hielt Löffler für falsch. Diese Diskussion sei eine Frage der Versorgungssicherheit und falle daher nicht in den Bereich der Taxonomie.
Chance für beschleunigten Wandel?
Ob die Energiekrise die Energiewende beschleunigt oder nicht, war die zentrale Frage des zweiten Panels der Konferenz. Gerald Haug, Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, stellte dabei zunächst fest, dass Deutschland trotz aller Anstrengungen niemals energieautark sein werde. Allerdings ergeben sich aus der derzeitigen Energiekrise auch Chancen, wie Susanne Dröge, Senior Fellow der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), unterstrich. Angesichts der exorbitant gestiegenen Energiepreise bestehe nun die große Chance auf einen beschleunigten Wandel und darauf, die Menschen für alternative Energien und Energieeffizienz zu begeistern, so Dröge.
Plädoyer für den Multilateralismus
In ihrer Keynote stellte Gro Harlem Brundtland, ehemalige Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation und Ex-Ministerpräsidentin Norwegens, fest: „Bei den Themen Klima und nukleare Bedrohung führt kein Weg an einer globalen Zusammenarbeit vorbei.“ Die Möglichkeit, dass momentane und kommende Konflikte das verhindern könnten, sei beunruhigend, da es keine andere Möglichkeit gebe, als diese Probleme gemeinsam anzugehen.
Als unerschütterliche Optimistin vertrat Brundtland die Meinung, dass das Momentum für den Ausbau erneuerbarer Energien trotz der aktuellen Gemengelage rund um Energiesicherheit nicht aufgehalten werden könne. Mit Blick auf die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen unterstrich sie, dass die ESG-Aspekte nachhaltigen Handelns und Investierens untrennbar miteinander verbunden seien und gemeinsam vorangebracht werden müssten.
Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen:
10. Oktober 2022, soweit nicht anders angegeben.