Serie Great Transformation
Inflation und die Renaissance der Rentenmärkte
19.06.2023 | Das langsame Abflauen der Inflation und die Aussicht auf ein baldiges Ende der Leitzinserhöhungen durch die Zentralbanken schaffen ein gutes Umfeld für die Rentenmärkte. Pfandbriefe, Unternehmensanleihen und Verbriefungen guter Qualität bieten wieder eine attraktive Verzinsung, so Christian Kopf.
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Christian Kopf
Leiter Portfoliomanagement Renten und Mitglied des Union Investment Committee (UIC)
Das Wichtigste für Sie in Kürze
- Aussicht auf „weiche Landung“ und rückläufige Inflation stützt Rentenmärkte
- Weg zu einer weiter sinkenden Inflation aber holprig
- Interessante Renditeaufschläge bei Pfandbriefen, Unternehmensanleihen guter Qualität und Verbriefungen
- Längerfristig durch „Great Transformation“ erhöhte Inflation und Volatilität
Der Kapitalmarkt wird von widersprüchlichen Erwartungen bestimmt. So scheint derzeit eine sanfte Landung der Konjunktur möglich – das Basisszenario unserer volkswirtschaftlichen Experten. Zugleich bestehen aber auch Sorgen am Markt, dass es doch zu einer tieferen Rezession kommen könnte. Auch könnte sich die Inflation ungünstiger entwickeln und der Rückgang stocken. Zinserwartungen und damit die Kursentwicklung bleiben bis auf Weiteres entsprechend volatil.
Doch das Bild ist nicht ungünstig: Die Zinsanhebungen beginnen immer stärker ihre Wirkung zu entfalten, das Wachstum verliert an Dynamik – und damit auch der Teuerungsdruck. Damit erhalten die Notenbanken nun Spielraum, den Zinserhöhungszyklus auslaufen zu lassen. Der disinflationäre Trend dürfte nach Einschätzung unserer Experten weiter anhalten, könnte aber holpriger ausfallen, weil die zugrundeliegenden Inflationstrends hartnäckiger sind. Die Wahrscheinlichkeit für baldige Zinssenkungen ist daher gering.
Wo stehen wir heute in Bezug auf die Inflation?
Nachlassende Preisdynamik (Disinflation) ist insbesondere bei Energie, Nahrungsmitteln und Kerngütern zu sehen, während ein Rückgang bei Dienstleistungen noch auf sich warten lässt. Darum bilden sich die Gesamtinflationsraten schneller zurück als die Kernraten, auf welche die Notenbanken für ihre geldpolitischen Entscheidungen achten.
Und regional präsentiert sich das Bild unterschiedlich: In den USA ist der Inflationsrückgang weiter fortgeschritten, darum erwarten wir im Juli mit einer Fed Funds Rate von 5,25 bis 5,5 Prozent den Zinsgipfel. In Großbritannien sinkt die Inflation weniger als in Deutschland, während in Spanien die Disinflation auch aufgrund weniger stark staatlich regulierter Preise ausgeprägter ist. Beim EZB-Einlagensatz erwarten wir den Höhepunkt ebenfalls in diesem Jahr bei 4,00 Prozent.
Mittelfristig spricht die Rückkehr des Angebots und eine nachlassende Nachfrage – aufgrund des geschwächten Wachstums – für abnehmenden Druck bei den Produzentenpreisen und damit auch für eine weiter sinkende Teuerung. Die meisten Preiserhöhungen der Unternehmen dürften nun an die Endkunden weitergeben worden sein.
Unsicherheit besteht jedoch bezüglich einer zusätzlichen Konjunkturbelastung durch die Verwerfungen im Bankensektor im Frühjahr und damit verbunden restriktiveren Kreditkonditionen für private Haushalte und Unternehmen. Erfreulicherweise hat sich die Lage durch das rasche und entschlossene Eingreifen der Aufsichtsbehörden und Notenbanken beruhigt. Die Banken haben die Kreditvergabestandards zwar deutlich gestrafft. Es ist aber nicht zu einer ungeordneten Entwicklung gekommen. Wir gehen davon aus, dass die Finanzstabilität gewährleistet bleibt, auch wenn die Krise in einigen Segmenten des Banksektors noch nicht ausgestanden sein könnte. Obgleich es zu früh für ein abschließendes Urteil ist, erwarten wir daraus keinen tiefergehenden Einbruch der Wirtschaftsleistung.Was bedeutet das kurz- und mittelfristig?
Die Kombination aus schwachem, aber immerhin positivem Wachstum bei sinkenden Inflationsraten sorgt für ein freundliches Kapitalmarktumfeld. In Summe stimmt dies für die Rentenmärkte sehr zuversichtlich.
Auch gehen wir davon aus, dass die Korrelation zwischen Aktien und Renten als Anlageklasse wieder abnimmt – und eine Risikostreuung über beide Anlageklassen hinweg wieder möglich wird.
Keine raschen Leitzinssenkungen
Da die Inflation noch ein gutes Stück vom Ziel der Preisstabilität entfernt ist, dürften baldige Zinssenkungen unwahrscheinlich sein. Zehnjährige US-Treasuries dürften per Ende 2023 mit rund 3,75 Prozent rentieren, zehnjährige Bundesanleihen mit rund 2,7 Prozent.
In beiden Währungsräumen haben wir deutlich höhere Leitzinsen. Rentenanleger werden somit kaum oder gar nicht für Zinsänderungsrisiken entschädigt – die Zinsstrukturkurven sind invers. Dies ist vor allem Folge der starken Leitzinsanhebungen im vergangenen Jahr, die zu einem rasanten Anstieg der Renditen am kurzen Ende geführt haben. Langlaufende Anleihen preisen hingegen Konjunktursorgen ein. Auf kurze Sicht würden wir keinen Aufbau von Duration empfehlen, da noch Unsicherheit über Zeitpunkt und Höhe der Zinsgipfel besteht.
Dagegen gilt es, Relative Value-Chancen zwischen einzelnen Bondmärkten zu nutzen und auf Carry zu achten. So lassen sich am kurzen Ende attraktive Renditen vereinnahmen, etwa bei Covered Bonds (Pfandbriefe), die bei erstklassigen Ratingeinstufungen einen Renditeaufschlag gegenüber Staatstiteln bieten, und dies bei meist relativ geringer Zinsbindung. Gerade in Europa findet sich hier auch eine breite Auswahl an nachhaltigen Covered Bonds. Die Nachfrage nach solchen gut verzinsten und vergleichsweise risikoarmen Anlagen dürfte dazu führen, dass die Kurse trotz des Bilanzabbaus der Notenbanken gut gestützt bleiben dürften.
Unternehmensanleihen nicht vergessen
Attraktiv bleiben auch auf Euro lautende Unternehmenspapiere mit IG-Rating (gute bis sehr gute Anlagequalität). Abgesehen von der interessanten Rendite von über 4,1 Prozent (per Mitte Juni) sprechen die guten Fundamentaldaten vieler Emittenten dafür. Viele Unternehmen sind besser als erwartet durch die Krisen gekommen und werden durch das inflationsbedingt hohe nominale Wachstum nun auf der Schuldenseite etwas entlastet, da die Verschuldungsquoten in der Breite gefallen sind. Auch hier ist eine kürzere Duration attraktiv, zugleich notieren viele Titel weit unter Nennwert (pari).
Einen Rendite-Pick-Up bieten auch Kreditverbriefungen (Collateralized Loan Obligations, CLOs) von Unternehmen. Bei vergleichbarem Rating bieten sie eine Zinsimmunität aufgrund der variablen Verzinsung sowie eine erhöhte Risikoprämie wegen der Rezessionssorgen. Die von Kreditagenturen eingestuften CLO-Tranchen bieten dabei jeweils einen substanziellen Puffer gegen Kreditausfälle im zugrunde liegenden Darlehenspool.
Mehr Überschießen der Inflation, höhere Renditen
Unser Makro-Team erwartet für 2024 einen Rückgang der Inflationsrate auf rund drei Prozent zum Sommer hin. Somit bieten die genannten Anlagen in unserem Basisszenario auch eine Möglichkeit, mittelfristig die Renditen zu vereinnahmen.
Längerfristig dürften die Rentenmärkte vom strukturell geänderten Kapitalmarktumfeld – das wir „Great Transformation“ nennen – bestimmt bleiben. Der Großmachtwettbewerb zwischen China und den USA und die damit verbundene Neugruppierung von Lieferketten (Stichwort „Friend Shoring“) sowie der Umbau zu einer klimafreundlicheren Wirtschaft sorgen für mehr Investitionen und Innovationsdruck. Dadurch dürfte ein höheres Wachstum resultieren, aber auch eine höhere Inflation aufgrund von Knappheiten etwa bei Rohstoffen oder auf dem Arbeitsmarkt.
Die Great Transformation – eine neue Ära für Weltwirtschaft und Kapitalmärkte
Die Great Transformation geht von einem strukturell höheren Wirtschaftswachstum und einer höheren Volatilität der realwirtschaftlichen Entwicklung aus. Damit sind wieder mehr und ausgeprägtere Konjunkturzyklen mit „normalen“ Rezessionen zu erwarten, aber auch ein zins- und renditesteigernder Effekt. Als ein Effekt dürfte eine Absicherung gegen Inflation stärker in den Fokus der Anleger rücken, aber auch eine Normalisierung der Laufzeitenprämien am Rentenmarkt, die durch die ultralockere Geldpolitik geprägt stark gedrückt waren. Insgesamt bietet das Umfeld der Great Transformation damit die Aussicht auf längerfristig erhöhte Anleiherenditen.
Die Inflationsraten könnten sich daher mittelfristig auf Niveaus über den Notenbankzielen einpendeln. Wir sehen den nominalen Gleichgewichtszins in den USA längerfristig bei rund 3,5 Prozent.
3,5 Prozent
Langfristiger nominaler Gleichgewichtszins in den USA
Er ist am Markt nicht sichtbar – lässt sich aber theoretisch herleiten: Der natürliche Zins bringt Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht, auf den Finanz-, Güter- und Arbeitsmärkten. Nach Einschätzung von Union Investment ist der langfristige nominale Gleichgewichtszins in den USA als Folge von höheren Investitionen, höherer Inflation und höherer Volatilität auf etwa 3,5 Prozent gestiegen. Ein US-Leitzins von mehr als 3,5 Prozent sollte also mittelfristig Wirtschaftswachstum und Inflation senken.
Wenn die Laufzeitenprämie im US-Treasuries-Markt zudem wieder ansteigen sollten, wäre mittelfristig eine Rendite von rund 4,4 Prozent bei zehnjährigen Papieren denkbar. Angesichts der höheren Zins- und Inflationsvolatilität erscheint längerfristig in einem Portfolio auch eine taktische Beimischung von Realzinsanleihen anstelle eines Teils der Staatsanleihen sinnvoll.
Ein Beitrag von Christian Kopf.
Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen: 19. Juni 2023, soweit nicht anders angegeben.
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