These: Ukraine-Krieg erhöht grüne Investitionsanreize bei Immobilien
- Durch den Krieg wird die Gasheizung noch schneller zum Auslaufmodell
- Kurzfristig bremsen Knappheiten und Kosten Investitionsoffensive für energieeffizientere Immobilien
- Mittelfristig werden aber Aspekte wie Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit den Trend zu grünen Technologien bei Immobilien beschleunigen
Gasalternativen dringend gesucht
Der Immobilienbereich ist hungrig nach Energie: Rund 35 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs entfällt laut einem Bericht der Organisation Global Alliance for Buildings and Construction aus dem Dezember 2020 direkt oder indirekt auf Gebäude1. Basis dafür sind noch immer größtenteils Öl und Gas und der Hauptverwendungszweck ist vor allem Heizen. Speziell in Deutschland war bis vor kurzem russisches Gas die wichtigste Energiequelle für den Immobilienbereich. Der Ukraine-Krieg stellt für diese Strukturen eine Zäsur dar. Denn: Staaten wie Deutschland werden ihre fossilen Abhängigkeiten von Russland mittelfristig beenden. Deshalb werden dringend Energiealternativen und innovative Technologieansätze für den Immobilienbereich gesucht.
Klimaschutz bislang dominierender Investitionsgrund
In den letzten Jahren standen im Gebäudesektor neben ökonomischen, vor allem ökologische Faktoren im Mittelpunkt von Investitionsentscheidungen – auch bei der Auswahl der Heizsysteme. Denn bisher ist der CO2-Fußabdruck hoch. Viele Förderprogramme und regulatorische Maßgaben sind deshalb darauf ausgerichtet, CO2-Emissionen zu verringern2. Gas-basierte Heizsysteme sollten dabei in vielen Fällen als fossile Brückentechnologie dienen, um die noch viel klimaschädlicheren Öl-Heizungen abzulösen. Zudem wurden in den letzten Jahren veraltete Gasheizungen durch neue, deutlich effizientere Modellvarianten ersetzt. Abbildung 1 zeigt die starke Nachfrage nach Gasheizungen anhand ihres Anteils an den installierten Heizungssystemen. Noch im Jahr 2021 nutzten rund 70 Prozent der installierten Heizungssysteme Gas als primäre Energiequelle.
Abbildung 1: Neu installierte Heizungssysteme in Deutschland

Abbildung 1 verdeutlicht darüber hinaus, dass auch schon vor dem Ukraine-Krieg der Anteil von energie- und CO2-effizienten Wärmepumpen zugelegt hat3. Allein aus Klimaschutzgesichtspunkten wird die Nachfrage nach solchen Alternativen weiter zunehmen. Das gilt sowohl für Neubauten als auch für den Wohnungsbestand, wo noch immer ältere Heizungssystemen dominieren4. Dabei geht es bei Investitionen in neue Gebäudetechnologien nicht nur um Heizungstechnik im engeren Sinne, sondern auch um bauliche Anpassungen und energetische Sanierungsmaßnahmen5.
Angespannte Lage am Immobilienmarkt zeigt Wirkung
Zusätzlich zum Klimaschutzziel gewinnt im aktuellen Umfeld jedoch die Frage der Versorgungssicherheit an Bedeutung. Der Haken daran? Eine schnelle und einfache Lösung, um speziell die dominante Stellung von Gas als Heizquelle zu brechen, ist nicht in Sicht. Bei alternativen Technologien wie zum Beispiel Wärmepumpen dürfte die schiere Menge an benötigten Anlagen auf absehbare Zeit zu sehr langen Lieferfristen führen. Der noch größere Engpass liegt aber darin, überhaupt einen qualifizierten Installateur zu finden.
Neben dem Wandel in puncto Heiztechnologie kommt hinzu: die hohe Dynamik am Immobilienmarkt und Begleiterscheinungen der Corona-Pandemie hatten bereits vor Kriegsausbruch zu deutlichen Preissteigerungen und Materialknappheiten im Baubereich geführt. Der Ukrainekrieg hat diese Entwicklungen kurzfristig noch einmal verschärft6. Bauen und vor allem Sanieren wird teurer. Verantwortlich dafür sind nochmals gestiegene Energiekosten bei Produktion und Transport von Gütern wie etwa Beton und Stahl. Angespannte Lieferketten und daraus resultierende Material-Knappheiten erschweren darüber hinaus in einigen Fällen kurzfristig die Umsetzung von Bauprojekten. Nicht zu vergessen: Auch die Fremdfinanzierung von Immobilienprojekten verteuert sich aufgrund steigender Kreditzinsen zusehends. Einen weiteren Flaschenhals stellen auch hier fehlende Dienstleistungsanbieter und Handwerker dar. Wird der grüne Modernisierungswille im Immobilienbereich etwa durch kurzfristige Knappheiten und von Kostengesichtspunkten ausgebremst?
Grüne Technologiealternativen auch wirtschaftlich vielversprechend
Vieles spricht dafür, dass Investitionen zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Entkoppelung von russischem Gas trotz allem weiter forciert werden. Grüne Technologiealternativen und innovative Baumaterialien7 helfen dem Immobilienbereich sich zu dekarbonisieren und auch autarker zu werden. Darüber hinaus sprechen handfeste wirtschaftliche Gründe für eine Fortsetzung des Trends hin zu elektrischen Wärmepumpen und Solaranlagen. Denn Erdgas war schon vor Kriegsbeginn deutlich im Preis gestiegen, die russische Aggression sorgte für einen zusätzlichen Schub8. Im Gegensatz zu Öl, wo mittelfristig mit einer gewissen Beruhigung und moderaten Preisrückgängen gerechnet wird, dürfte Erdgas vorerst nicht wieder günstiger werden – eher im Gegenteil. Bislang kostengünstige Gasheizungen verlieren also auch unter Kostengesichtspunkten grundsätzlich an Attraktivität. Zwar stellen Investitionen in Alternativen zu den bislang dominierenden Heizanlagen zunächst eine Kostenbelastung dar. Doch über die gesamte Nutzungsphase hinweg sollten sich diese bezahlt machen9. Vor allem dann, wenn in den kommenden Jahren immer mehr günstiger grüner Strom zum Betrieb von beispielsweise Wärmepumpen verfügbar sein wird.
Langfristig sollten auch die Produktionskapazitäten und somit das Angebot an grünen Technologieanwendungen zunehmen und dazu beitragen, aktuelle Engpässe und noch relativ hohe Preise in diesem Bereich zu überwinden. Regulatorische Rahmenbedingungen wie das in Fußnote 1 erwähnte BEG unterstützen die Nachfrage nach derartigen Produkten. Bloomberg zeigt in einem Beitrag aus dem Dezember 2021 am Beispiel von Solaranlagen für Wohnhausdächer, dass zunehmende Konkurrenz und technische Fortschritte bei Photovoltaik-Produkten und -Anbietern dazu führen, dass das Preisniveau für diese Güter sukzessive sinkt.
Klimaschutz als Profiteur eines Sinneswandels
Zusammenfassend sind die Herausforderungen in der Baubranche vielschichtig. Aktuell leidet sie unter Materialknappheiten, deutlichen Preissteigerungen und einem angespannten Markt für qualifizierte Handwerker. Diese Belastungsfaktoren wurden durch den Ukrainekrieg noch einmal verstärkt. Auch das geänderte Zinsumfeld stellt die Immobilienbranche vor zusätzliche Probleme.
Kurzfristig hemmen diese Faktoren die Umsetzungsgeschwindigkeit und wichtige Entscheidungen im Immobilienbereich – auch solche zur Senkung der CO2-Emissionen. Die aktuell noch immer hohe Nachfrage nach grünen Technologien kann momentan von der Angebotsseite nicht vollständig bedient werden.
Langfristig jedoch ist mit einer positiven Entwicklung für grüne Technologien im Immobilienbereich zu rechnen – mit Abstrahleffekten auf die beteiligten Unternehmen am Kapitalmarkt. Zum einen zwingen verbindliche Klimaschutzziele den Sektor zu Anpassungen. Zum anderen hat das Streben nach verbesserter Energieeffizienz und -sicherheit bei gewerblichen und privaten Investoren zu einem Umdenken geführt. Die Bereitschaft zu Verhaltensanpassungen und langfristigen Investitionen steigt. Das Ziel der Unabhängigkeit von russischem Gas fördert somit (indirekt) ebenfalls den sukzessiven Umstieg auf nicht-fossile Heizungsalternativen. Mit der Folge, dass die Verbesserung der Klimabilanz im Gebäudebereich zusätzlich an Dynamik gewinnt – vor allem dann, wenn der verwendete Strom durch Renewables erzeugt wird.
- 1 Siehe dazu auch den vollständigen Bericht der Organisation in Zusammenarbeit mit der UN. (https://globalabc.org/resources/publications/2020-global-status-report-buildings-and-construction)
- 2 In Deutschland ist hier etwa die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) zu nennen, die unter anderem für Privathaushalte und Immobiliengesellschaften gilt. In Baden-Württemberg gilt bei Neubauten ab dem Jahr 2022 eine Photovoltaik-Pflicht.
- 3 Siehe dazu auch die Untersuchungen des BDEW die zeigen, dass in 2021 beim Neubau von Wohngebäuden bereits ein Wandel bei den geplanten Heizsystemen stattfindet. (https://www.bdew.de/service/daten-und-grafiken/beheizungsstruktur-baugenehmigungen-aktuell/)
- 4 Siehe dazu ebenfalls BDEW zur Heizungsstruktur beim Wohnungsbestand per Ende 2020. (https://www.bdew.de/media/documents/Grafik_BDEW_Beheizungsstruktur-Bestand.pdf)
- 5 Neben dem Einsatz von Wärmepumpen und Photovoltaik-Anlagen spielt auch eine verbesserte Dämmung von Gebäuden eine wichtige Rolle, um die Energieeffizienz von Gebäuden zu stei-gern.
- 6 Eine aktuelle Befragung des ifo-Instituts von Juni 2022 bestätigt, dass das Material auf deut-schen Baustellen äußerst knapp und teuer ist. (https://www.ifo.de/pressemitteilung/2022-06-10/noch-nie-fehlte-so-viel-material-auf-dem-bau)
- 7 Vor allem CO2-armer Stahl und Beton stellen zukünftig wichtige und vielversprechende Vorleis-tungsgüter im Baubereich dar.
- 8 Per Ende August 2022 hat sich der der Future-Preis für europäisches Erdgas – im Vergleich zum Vorjahr – mehr als vervierfacht und stieg von 50 Euro/MWh auf rund 240 Euro/MWh an. Union Investment erwartet in einem Beitrag zur neuen Energie-Welt, dass gerade Gas dauer-haft auf einem höheren Preisniveau verharren könnte. (https://unternehmen.union-investment.de/startseite-unternehmen/maerkte/Kapitalmarktmeinungen/ab-2021/Rohstoffe-Die-neue-Energie-Welt.html)
- 9 Auf der Mieterseite sind die Folgen einer schlechteren Gasversorgungslage und höheren Prei-sen in deren Nebenkosten ebenfalls deutlich zu spüren. Im aktuellen Umfeld drohen hier bei einer weiteren Gasdrosselung oder einem besonders kalten Winter, mögliche soziale Härtefäl-le. Höhere Energiekosten und gestiegene Versorgungsunsicherheiten könnten aber in der aktuell angespannten Situation dazu beitragen, dass die Akzeptanz bei Mietern für Investitio-nen in neue Heizsysteme durch die Besitzer grundsätzlich zunimmt.
Autoren:
Johannes Böhm, Mathias Christmann
Stand: 21. September 2022.
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